Aufstand in Ahmedabad
Namaste aus Ahmedabad – 1040 Kilometer liegen bereits hinter uns! Nach der anstrengenden Etappe über mehr als 400 Kilometer von Jaipur nach Udaipur sind wir am Freitagmorgen wieder mit Elan und erholten Hinterteilen auf unsere Rikscha gestiegen.
Die Fahrt entlang des Sees, an dessen Ufer sich Udaipur schmiegt, war atemberaubend! Das Morgenlicht fiel auf die weißen Kuppeln der Tempel und Paläste und am Ufer entdeckten wir ein Liebespaar. Arm in Arm genossen die zwei den Anblick des Wassers und die Ruhe des jungen Tages.
Udaipur ist ein beliebtes Ziel für die Flitterwochen. Bei der ersten gemeinsamen Reise nach der Hochzeit lernen sich die frisch verheirateten kennen.
Wir fuhren durch die herrliche, dschungelartige Landschaft Rajasthans. Vorbei an Männern, in weiß gekleidet und mit bunten Turbanen. Manchmal sitzen vier zusammen auf einem Motorrad. Wir überholten riesige Trucks, immer zu hupend, damit uns niemand übersieht. Wir sahen Kamelkarren, Ziegenherden und Schilder, die bezeugen, dass hier tatsächlich Tiger leben.
Vor Tigern habe ich keine Angst, wenn ich bei einem kurzen Stopp in die Büsche gehe. Tiger kommen nicht in die Nähe der Straße, tagsüber schon gar nicht. Aber ein anderes Wesen befürchte ich zwischen den trockenen Dornenbüschen – die Cobra.
Einige Leute hier fangen die Giftschlangen, reissen ihnen die Zähne heraus und stecken sie in einen Bastkorb. Dann endet das königliche Tier als Touristenattraktion. Wenn eine Cobra mich also hockend hinter einem Busch entdecken würde, hätte ich sogar Verständnis für ein Racheakt an meiner Spezies.
Auf unserem Weg nach Udaipur fing es plötzlich an zu Regnen und es dauerte nicht lange, da blieb unsere Rikscha zum ersten Mal stehen. Der Motor war feucht geworden. Zu dem Zeitpunkt ahnten wir noch nicht, dass sich ein Monsunregen über uns ergießen wird, wir alle zehn Minuten stehen bleiben und die letzten Kilometer unsere Rikscha in der Dunkelheit bis nach Ahmedabad schieben müssen.
Doch auch diese Tortur haben wir heile hinter uns gebracht. Klitschnass sind wir angekommen und haben zur Belohnung im „Ritz“ eingecheckt. Das ist hier zwar kein Luxushotel, aber es gehört zu den besseren Unterkünften. Bei unserer Ankunft stand die gesamte Mannschaft des Ritz-Hotels an der Scheibe der Lobby und hat zugeschaut wie wir, wie zwei begossene Pudel, unsere völlig verdreckete Rikscha ausluden. Nagender wurde stinksauer. Das wurde auch nicht besser, als wir beim Abendessen kein Bier bestellen konnten. In Gujarat ist nämlich Alkohol verboten.
Am nächsten Morgen dann der nächste Schreck! Ein Teil der Rikscha war gebrochen! So konnten wir nicht weiter fahren, sie wäre völlig instabil. Ein Tischler musste her.
Zuerst haben wir aber unsere Freunde von „AWAG“ besucht. Eine NGO (non-goverment-organisation: eine regierungsunabhängige Hilfsorganisation), die sich gegen Gewalt und für Frauen einsetzt. Wir haben die Leiterin, Sara – Ben, bei unserer ersten Recherchereise kennengelernt. Zur Vorbereitung dieser Reise sind wir nämlich ein Teil der Strecke bereits im April diesen Jahres abgefahren, damals mit Nagenders Auto.
Von Sara – Ben haben wir erfahren, dass gewalttätige Demonstranten durch Ahmedabad ziehen und auch durch andere Teile von Gujarat. Insgesamt 2,7 Millionen Menschen sind auf den Beinen (in Indien herrschen ganz andere Dimensionen als im kleinen Deutschland ) – es handelt sich um einen Kastenkonflickt, der offenbar eskaliert.
Die Regierung von Gujarat hat deshalb gestern im gesamten Staat das Internet lahmgelegt!!! Nagender meint, es solle damit verhindert werden, dass die Aufständischen Nachrichten verbreiten und noch mehr Menschen auf die Straße gehen.
Wir werden unsere Reiseroute etwas ändern müssen, um den wütenden Massen nicht zu begegnen.
Nach dem Besuch bei AWAG haben wir einen Tischler gefunden. Einen ganz besonders tollen. In einer Slumgegend hat er seinen Laden und er hat uns mir einem breiten Grinsen empfangen. Im löchrigen Unterhemd, schmuddeliger Anzugshose und schwarzen Schlappen hat er sich unter unsere Rikscha geworfen und losgelegt. Derweil hat sich die gesamte Nachbarschaft um unsere Rikscha versammelt. Wir wurden ausgefragt „ist die automatisch?“, „Was verkauft ihr“ , „seid ihr aus Südafrika?“ . Die Leute können kaum verstehen, dass ein indischer Mann und eine deutsche Frau zusammen reisen. Sie fragen, ob Nagender mein „Guide“ ist, wie viel er von mir bezahlt bekommt, ob wir verheiratet sind und ob Nagender zusätzlich auch noch eine indische Frau hat. Meistens antwortet Nagender nicht wahrheitsgemäß sondern so, dass alle zufrieden sind und nicht weiter fragen. 😉
Nach zwei Stunden war unsere Rikscha wieder heile und ist stabiler als vorher. Der Tischler arbeitete mit Herz und Hingabe. Er lebt in seinem Laden, hat kaum einen Cent übrig und dann wollte er von uns nicht einmal Geld haben. Stattdessen hat er uns auf ein kaltes Getränk eingeladen. „Das ist ein Geschenk von mir, weil ich mein Land so liebe“, hat er gesagt und gestrahlt. Wir waren sprachlos.
Zum Spaß ein paar Eindrücke von Freitagmorgen, VOR DEM REGEN 🙂
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