Sunderbans – das größte Flussdelta der Welt
Ein grauer Schleier hängt vor der Sonne. Backsteintürme und Metallrohre schießen schwarzen Rauch in die Luft, der sich, vom Wind verteilt, hinab auf Palmen, Häuser und den Highway senkt. Vor Verschlägen und Hütten am Straßenrand quillen dicke Rauchwolken aus Holzfeuern. Die Abgase beißen in der Nase, meine Haut an Armen und im Gesicht ist mit Ruß bedeckt. Wir fahren durch das Industriegebiet von Durgapur. Backsteinbrennereien, Kohlekraftwerke und andere Dreckschleudern reihen sich hier kilometerweit aneinander.
Was für ein Kontrast! Gestern haben wir noch die reine Luft der Sunderbans geatmet. Sunderbans, so heißen die Inseln im größten Flussdelta der Welt. Es sind über 100 Inseln und das ganze Gebiet, in dem sie liegen, misst rund 26.000 Quadratmeter. Ein Drittel davon liegt auf indischem Staatsgebiet, der Großteil gehört zu Bangladesch. Hier mündet nicht nur der Ganges in den Golf von Bengalen sondern viele andere große Flüsse auch, wie zum Beispiel der Hoogly, der uns bereits in Kolkata begegnet ist.
Doch das Delta wartet mit weiteren Superlativen auf: es beherbergt den größten Mongrovenwald der Erde und im Dickicht der Mangroven lebt die größte und letzte Population des Bengalischen Tigers in Freiheit.
Die Menschen wohnen hier in Lehmhütten mit Strohdächern. Jede Familie hat einen eigenen Teich. Da das Wasser des Deltas salzig ist und es keine künstliche Wasserversorgung gibt, sammeln die Einheimischen in ihren Teichen Regenwasser. Ausserdem züchten sie Fische darin, die fangen sie sich für das Mittag- und meistens auch Abendessen. Fisch, Reis und Linsen sind die Hauptnahrungsmittel der Menschen des Deltas.
Der wilde Tiger
Fast schon mystisch in dieser Gegend ist die Präsenz des Tigers. Obwohl den scheuen Jäger kaum ein Tourist zu Gesicht bekommt, kann doch jeder Einheimische von einer Begegnung mit der Wildkatze erzählen. Viele Einheimische wagen sich hinein in die Reviere der Tiger, denn hier finden sie Honig und in den schmalen Wasseradern zwischen den Mangroven besonders viele Fische und Meeresfrüchte. Dabei würden immer wieder Dörfler vom Tiger getötet, hat uns der Guide vom Tiger-Reservat erzählt. Im vergangenen Monat seien dem Tiger fünf Menschen zum Opfer gefallen, im ganzen letzten Jahr insgesamt Vierzig. Die Tiger gingen auf Menschenjagd, da sie im Dickicht der Mangroven besonders leichte Beute seien. Die Einheimischen haben uns das bestätigt. Sie haben erzählt, dass das Jagen im Dickicht für den Tiger sehr schwer sei und er deshalb auch hin und wieder durch den Fluss zu einer bewohnten Insel schwimmt. Ein Dorf muss für den Tiger einem Schlaraffenland gleich kommen. Überall laufen Hühner herum, Kühe, Ziegen sind häufig angebunden und können nicht mal weglaufen. Tiger Fast Food!
Kommt ein Tiger in ein Dorf hinein, verstecken sich die Einheimischen und rufen im Tiger-Reservat an. Selbst verteidigen kann sich hier gegen einen Tiger niemand. Ein Lehrer erzählt uns, wie er sich mit seinen Schülern im Klassenzimmer geduckt hat, sodass der Tiger sie nicht sehen konnte. Das wilde Tier habe dann eine Kuh getötet und gefressen. Die Ranger vom Reservat betäubten das Tier und brachten es zurück ins Reservart.
Bevor die Fischer und Honigsammler in dem Mangroven verschwinden, beten sie, dass ihnen kein Tiger begegnen mag.
Wir wollten den königlichen Tiger gerne sehen, von weitem natürlich und haben eine Tigersafari mit einem Boot für Touristen gemacht.
Vielleicht können wir ja durch seine Präsenz unserer Show auch ein wenig Mystik verleihen…
Leave a Reply
Your email is safe with us.