Die blaue Rikscha
Nach einigen Monaten der Vorbereitung machen wir uns schließlich auf den Weg. Mit einer blauen Motor-Rikscha fahren Nagender und ich quer durch Indien und begeben uns auf die Spuren der Liebe. Unser Vehikel wird von einem Mechaniker in einem Slum in Delhi gebaut. Er schustert eine alte Fahrradrikscha und einen ausgedienten Motorroller zusammen. Diese Art Fahrzeug ist eigenltich nicht erlaubt auf Indiens Straßen, also illegal. Sie werden jedoch hauptsächlich von armen Gemüsehändlern verwendet und deshalb geduldet. Wir streichen unsere Rikscha in blau an und verzieren sie mit Aufklebern. Unser „blauer Blitz“ wird auf unserer Reise die Eintrittskarte in die Herzen der Menschen sein. Mit ihr wecken wir Interesse, kommen ins Gespräch und ernten Erstaunen und Anerkennung für die Art, wie wir reisen, sogar von Polizisten.
Auf der Suche nach der Liebe durch Indien
Überall wo wir hinkommen, sprechen wir mit Menschen über die Liebe. In Haryana treffen wir einen Mann, der zwei Frauen hat. In Kolkata-Sonagachi, Asiens größtem Rotlicht-Viertel, besuchen wir die Prostituierten und erfahren, was für sie Liebe bedeutet. In der Rann of Kachch weint unsere Wüstenführerin um ihren verstorbenen Mann. In Delhi interviewen wir ein junges Paar, das wegen der Liebe von der eigenen Familie getötet werden sollte. Im Flussdelta der Sunderbans übernachten wir bei einem Künstler, dessen arrangierte Ehe ihm die Kreativität geraubt hat und in Bihar treffen wir die Familie eines Nationalhelden, der aus Liebe einen Berg gespalten hat.
Das Reisen
Das Reisen auf der Rikscha ist anstrengend. Wir sammeln den Dreck der Straßen auf unserer Haut, verbringen Tage auf der Sitzbank. Mit wunden Hinterteilen kämpfen wir gegen die Hitze der Mittagssonne und gegen Müdigkeit an. Wir entkommen aggressiven Straßengangs und flicken Platten im Schatten von Trucks. Doch wir genießen auch den Fahrtwind, das Gefühl von Freiheit, die Schönheit der Natur entlang Indiens Straßen, die Freunde derer, die unsere blaue Rikscha entdecken und das gute Gefühl am Ziel anzukommen.
Unsere Route führt uns von Ozean zu Ozean, wir durchqueren die größte Salzwüste der Welt, versinken in den Farben des Holifestes in Barsana, sitzen auf dem Marmorboden des Taj Mahals, sehen in Varanasi den Hindus bei ihrem Bad im Ganges zu, besuchen die erotischen Tempel von Khajuraho und halten Ausschau nach dem Tiger im Flussdelta der Sunderbans. Wir übernachten in der Wüste unter dem Sternenhimmel und betten uns wie einst die Maharadschas in Udaipurs Palästen.
Unsere Herausforderungen
Doch die Reise stellt uns vor Herausforderungen. Kurz vor Beginn unserer Reise erfahre ich, dass ich schwanger bin. Wir entscheiden uns trotzdem aufzubrechen. Während unserer Tour erkranke ich an Dengue-Fieber und Nagender überlebt nur knapp einen Unfall.Schließlich stolpern Nagender und ich auf der Suche nach der Liebe über die Essenz der Liebe – denn zur Sicherheit meines ungeborenen Kindes müssen wir unsere Reise abbrechen. Trotz allem halten wir als Freunde zusammen und fahren ein Jahr später wieder los. Ein Ehemann für Kanika ist gefunden, der Termin für die Hochzeit steht fest und wir werden da sein.
Und die Liebe?
Während unserer Reise werden meine Vorstellungen von Liebe ordentlich durchgeschüttelt. Je weiter wir kommen, desto deutlicher wird für mich jedoch, dass das Gefühl der Liebe in Deutschland und Indien gar nicht so unterschiedlich ist, wie ich dachte. Denn wahre Liebe begegnet uns auf unserer Reise nicht nur einmal. Ich lerne auch, dass die Freundschaft zwischen Nagender und mir wegen unserer unterschiedlichen Kulturen weh tun kann. Für echtes Verständnis für die indische Kultur muss ich anerkennen, dass Menschen in Indien auf anderen Wegen lieben und glücklich sein können, als ich es mir für mich vorstellbar ist. Und das klingt leichter, als es sich tatsächlich anfühlt.